3.    Mikroorganismen und ihr Vorkommen/ihre Lebensräume

 

3.1.           Bakterien

3.1.1.     Lebensräume bzw. Vorkommen von Bakterien...

Ø       ...in der Natur: Bakterien besitzen eine zentrale Bedeutung in ökologischen Stoffkreisläufen in denen sie die Rolle der Destruenten einnehmen.

Stoffkreislauf in der belebten Natur: Aufnahme von CO2 und H2O durch Produzenten und Assimilation zu Biomasse (Zellkohlenstoffe = Zucker). Hierdurch entsteht Biomasse als Nahrungsquelle primärer Konsumenten (Organismen, deren Nahrungsgrundlage pflanzliche Primärproduzenten sind). Diese wiederum dienen Konsumenten höherer Ordnung als Nahrungsquelle. Bei Absterben von Lebewesen kommt es zur Remineralisation der anorganischen Stoffe durch Bakterien (bzw. saprophytische Mikroorganismen, dies können auch Pilze sein). Die dabei freiwerdenden Mineralien werden wieder in den Stoffkreislauf eingespeist und dienen damit als Grundlage für die erneute Assimilation von Biomasse durch die Produzenten. Die meisten Bakterien gehören zu solchen Arten, die in der Umwelt vorkommen und dort saprophytär leben. Nur ein vergleichsweise geringer Teil der bekannten Bakteriearten tritt als Krankheitserreger in Erscheinung.

 

Ø       ...in Lebensmitteln. Lebensmittel sind nie steril, eine Besiedlung durch diverse Mikroorganismen ist vollkommen normal. Man sollte auch die Rolle von Mikroorganismen (Bakterien und Pilze) in der Lebensmittelindustrie nicht unterschätzen (Herstellung von Käse, Joghurts, etc., alkoholische Gärung). Dennoch können Mikroorganismen auf oder in Lebensmitteln unter Umständen zu Erkrankungen führen. Beispiele mikrobieller Besiedlung von Lebensmitteln mit dem Potential, Erkrankungen auszulösen sind Salmonellen in Geflügel oder anderen tierischen Produkten, das Vorkommen von Mycobacterium bovis oder anderen Erregern wie Listerien in Rohmilchprodukten, Listerien auf Salaten oder an Räucherlachs, etc.

 

Ø       ...beim Menschen: Überblick über das zahlenmäßige Vorkommen von Bakterien bzw. Mikroorganismen beim Menschen. Diese Flora wird als Normalflora bezeichnet, viele Elemente dieser Normalflora erfüllen die Kriterien eines Symbionten, andere werden lediglich als Kommensalen angesehen (die Unterscheidung zwischen Symbionten und Kommensalen ist nicht immer einfach!). Die Dichte der Besiedlung mit der Normalflora variiert in Abhängigkeit vom Individuum und von der Lokalisation. Einer relativ geringen Dichte von ca. 103 Bakterien/cm2 im Gehörgang steht eine Dichte von ca. 1012 Bakterien bzw. Pilzen pro Gramm Stuhl im Dickdarm gegenüber. Einige Kompartimente/ Organe des Menschen sind strikt frei von physiologischer Flora, hierzu zählen Blut, Liquor, Hirn und einige weitere. Das Vorkommen von Mikroorganismen in diesen primär sterilen Bereichen stellt damit immer eine Infektion dar, die Mikroorganismen selbst werden als Parasiten (bzw. Krankheitserreger) bezeichnet (siehe auch Kap. 7.1. Möglichkeiten der Interaktion ...). Ein Teil der den Menschen besiedelnden Bakterien ist fakultativ pathogen. Während diese Bakterien beim immunkompetenten Menschen im Regelfall keine Erkrankung hervorrufen, können Sie unter bestimmten Bedingungen (Immunsuppression) krankheitsauslösend sein.

 

Abb. 5: Staphylococcus aureus, isoliert von der Nasenscheidewand eines Keimträgers. (Photo: Winter, Medienzentrum HD)

 

Die Zuordnung ob ein Mikroorganismus ein Parasit oder Symbiont ist, ist nicht statisch. So können die ansonsten symbiontischen E. coli der Darmflora Harnwegsinfektionen hervorrufen und sind unter diesen Umständen eher als Parasiten zu bezeichnen.

 

Schwierigkeiten kann in der Praxis auch die Zuordnung eines Mikroorganismus zu einer Infektionskrankheit bereiten. Um bei einem Auftreten eines bis dahin unbekannten Mirkoorganismus den Zusammenhang mit einem Krankheitsbild zu beweisen müssen die sogenannten Koch-Henle`schen Postulate erfüllt werden. Diese sind keineswegs historisch. Zuletzt musste während der SARS Epidemie der Nachweis erbracht werden, dass ein bestimmtes Corona-Virus der für SARS verantwortliche Erreger war. Nur wenn ein Erreger sicher als Ursache einer bestimmten Infektionskrankheit nachgewiesen ist, können sinnvolle Strategien zur Behandlung und/oder Prävention (etwa Entwicklung von Impfstoffen) erarbeitet werden.

 

Koch-Henle`sche Postulate (vereinfacht):

I.) Der Mikroorganismus muss regelmäßig im infizierten Körper vorkommen.

II.) Der Mikroorganismus muss in Reinkultur aus dem infizierten Körper isoliert werden können.

III.) Es muss möglich sein, mit dieser Reinkultur ein identisches/vergleichbares Krankheitsbild wieder zu erzeugen.

 

3.2.             Pilze

 

Der größte Teil der Pilze in den gemäßigten Zonen hat keine oder nur eine geringe medizinische Bedeutung. Nur wenige Pilze sind tatsächlich obligat pathogen. Dennoch kann man einige wesentliche Bereiche benennen, in denen Pilzen eine medizinische Bedeutung zukommt:

► Produzenten von Toxinen (z.B. das Aflatoxin),

► Allergieauslöser (vor allem Schimmelpilzsporen),

► Erreger systemischer oder lokaler Mykosen (in Mitteleuropa zwar noch selten aber mit zunehmender Tendenz) und

► Produzenten natürlicher antibiotischer Substanzen (z.B. Penicillin aus Penicillium notatum).

 

Bewährt hat sich die Einteilung der Pilze in Dermatophyten, Hefen (= Sprosspilze) und Schimmelpilze (als DHS System abgekürzt). Diese Einteilung ist jedoch rein medizinischer Natur und spiegelt keine systematisch begründete Einteilung wieder.

 

Abb. 6: Beispiel für die Mikromorphologie von Schimmelpilze (Konidienträger von Aspergillus fumigatus.)

Abb. 7: Beispiele für die Mikromorphologie von Sprosspilze (fadenförmiges Pseudomycel und kreisrunde, terminale Chlamydospore von Candida albicans)

PM

 

CS

 

 

 

3.3.             Bacteriophagen

 

 

Bacteriophagen sind Viren —unbelebte infektiöse Partikel— die zur Vermehrung auf eine Bakterienzelle angewiesen sind. Die Bacteriophagen lassen ihr Erbgut in das der Wirtszelle integrieren und lassen sich so vermehren. Unter bestimmten Umständen können so dem Wirtsbakterium zusätzliche Eigenschaften verliehen werden. Beispiele hierfür sind die Erreger der Diphtherie (Corynebacterium diphtheriae), die nach Lysogenisierung mit einem Bacteriophagen das Diphtherietoxin produzieren. Streptococcus pyogenes erhält durch einen Bacteriophagen das Gen für das Scharlachtoxin.

Bedeutung bei der Transduktion

Abb. 8: Schematischer Auf­bau von Bacteriophagen

3.4.             Viren im humanmedizinischen Bereich

zur Virologie

Viren, die nicht auf Bakterien als Wirtszellen angewiesen sind sondern auf eucaryontische Wirtszellen sind für die medizinische Mikrobiologie von hohem Interesse. Virus-bedingte Krankheiten wie das durch HIV ausgelöste Immunschwächesyndrom AIDS haben in den zurückliegenden Jahrzehnten zu einem Umdenken in der Gesellschaft im Hinblick auf das Sexualverhalten geführt und damit ebenfalls (wie für die à Pest im Mittelalter besprochen) zu z.T. tiefgreifenden —wenn auch zeitlich begrenzten— gesellschaftlichen Veränderungen geführt. Diese gesellschaftlichen Veränderungen durch Infektionserreger werden bei der folgenden Gruppe infektiöser Partikel besonders deutlich:

Abb. 9: Schematischer Auf­bau eines human-pathogenen Adenovirus (Keratoconjunctivitis epidemica)

 

3.5.             Prionen

(infektiöse Partikel, die soweit man heute annimmt keine Nukleinsäure enthalten und sich durch eine außergewöhnliche Temperatur Resistenz hervorheben)

Prionen-asszierte Erkrankungen sind seit längerem bekannt, wurden früher allerdings als Slow Virus Infektionen bezeichnet. Hierzu zählen das auf Papua Neuguinea lange Zeit endemische Kuru (neurodegenerative Erkrankung deren Ursache in kanibalistischen Beerdigungsriten lag), Creutzfeld-Jacob-Erkrankung (CJD) mit einer normalen Erkrankungshäufigkeit von etwa 0,1 auf 100.000 Menschen, Scrapie, bekannt als Traberkrankheit bei den Schafen sowie die vor einigen Jahren beschriebene bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE). In Nordamerika werden zurzeit vermehrt BSE-ähnliche Erkrankungen bei Weißwedelhirschen sowie einige Fälle einer Creutzfeld-Jacob-ähnlichen Erkrankung bei Jägern beschrieben. (vergl. hierzu z.B. http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,209178,00.html)

Ein möglicher Zusammenhang mit dem Verzehr von Rindfleisch von BSE erkrankten Rindern und dem Auftreten einer neuen Variante der CJD wird immer noch diskutiert. Eindeutige Beweise für einen Zusammenhang oder aber gegen einen Zusammenhang stehen noch aus. Prinzipiell sind Prionen aber übertragbar. So sind iatrogene Übertragungen von Prionen aus Hirnen CJD Erkrankter auf andere Patienten beschrieben.