4.3.           Bacterial (microbial) lifestyle ...

... oder das Leben kann so schön sein!

 

4.3.1.        Abiotische Wachstumsfaktoren

Bei den Umgebungsfaktoren, die das bakterielle Leben und den bakteriellen Stoffwechsel beeinflussen werden die Faktoren Temperatur, Wasserstoffionen­konzentration (pH-Wert) des Milieus, osmotische Verhältnisse sowie Sauerstoff und Kohlendioxyd Partialdruck in der gasförmigen Umgebung unterschieden. Einige dieser Faktoren werden nachstehend beleuchtet.

 

4.3.1.1.              Temperatur:

Man unterscheidet in der Allgemeinen Mikrobiologie folgende Temperaturan­passungen bei Bakterien:

 

à psychrophil, kältetolerante Arten, die ein Temperaturoptimum bei 15 ºC aufweisen,

 

à mesophil, Bakterien mit einem Temperaturoptimum bei 37 ºC (Abb. 13) und 

 

à thermophil, solche Bakterien, die an Extremstandorte angepasst sind. Das Temperaturoptimum liegt bei >55 ºC und kann im Extremfall 110 ºC erreichen.

Abb. 13: Temperaturpräferenz von E. coli.

 

Die Temperaturpräferenz mesophiler Bakterien stellt eine hervorragende Anpassung an die Körpertemperatur des Menschen dar (Abb. 13). Medizinisch relevante Bakterienarten sind immer vom mesophilen Typus. Aber: man kann mesophile Bakterien nichtsdestoweniger bei tiefen und tiefsten Temperaturen (z.B. im flüssigem Stickstoff) einfrieren, ohne das sie vollständig abgetötet werden. In der Regel sind auch lange Zeit tief- oder tiefstgefrorene Bakterien wieder anzüchtbar (dies trifft z.B. auf Erreger wie die Salmonellen zu, die an tiefgefrorenem Hühnerfleisch vorkommen und nach dem Auftauen im Abtauwasser vermehrungsfähig sind)! Problematisch sind auch solche Bakterien, die bei Kühlschranktemperaturen noch deutliche Vermehrung zeigen, wie z.B. Listeria monocytogenes (Listerien-Embryopathie nach Infektion während der Schwangerschaft möglich, Meningitis bei immunsupprimierten Patienten).

 

4.3.1.2.              Wasserstoffionenkonzentration (pH-Wert) des Milieus

Beispiele für Bakterien in neutraler und saurer Umgebung. Der Großteil der medizinisch relevanten Bakterien bevorzugt die pH-neutrale Umgebung. Einige Bakterien sind jedoch auch auf saures Milieu adaptiert bzw. stellen dieses Milieu durch ihre Stoffwechselprodukte auf eine leicht sauren pH ein. Beispiele sind die Lactobacillen in der Vaginalflora (pH ca. 5) und Helicobacter pylori in der Magenschleimhaut (der allerdings durch Stoffwechselprodukte eine Neutralisation seines Mikromilieus erreicht).

 

4.3.1.3.              Herkunft des Zellkohlenstoffs und Energiestoffwechsel

Bakterien benötigen für ihren Gesamtstoffwechsel Kohlenstoff. Dieser Kohlenstoff (in vielen Fällen Zucker) stellt den Anfangspunkt des bakteriellen Energiestoffwechsels dar. Die Herkunft des Kohlenstoffs kann sehr unterschiedlich sein, man unterscheidet autotrophe und heterotrophe Ernährungstypen, je nach Herkunft des Zellkohlenstoffs (Abb. 14):

Ø       autotrophe (dabei handelt es sich oft um phototrophe, d.h. Photosynthese treibende Bakterien) Sie sind in der Lage, Zucker unter Ausnutzung der im Sonnenlicht enthaltenen Energie direkt aus CO2 und H2O zu assimilieren und die Lichtenergie so chemisch zu speichern.

Ø       heterotrophe Bakterien benötigen eine externe Kohlenstoffquelle und akquirieren den Zucker daher aus der Umgebung à die Zuckerverwertung (d.h. die Fähigkeit zur Verstoffwechselung ganz bestimmter Zucker à siehe lac-Operon) ist ein wesentliches Merkmal in der Differenzierung von Bakterien im Routinelabor.

 

Abb. 14: Grundsätzliche Stoffwechseltypen von Bakterien.

 

4.4.             Stoffwechsel...

... oder Katabolismus + Anabolismus = Metabolismus

 

Der Gesamtstoffwechsel gliedert sich in die beiden Bereiche Katabolismus (Energiegewinnung durch Oxidation von Kohlenstoffen à aerober Stoffwechsel; oder durch Gärung bzw. Fermentation von Zucker à anaerober Stoffwechsel; Abb. 15) und den Anabolismus, der Teil des Gesamtstoffwechsels, in dem aus einfachen Vorstufen biologische Makromoleküle unter Energieverbrauch synthetisiert werden. Aerobe Bakterien benötigen für die Oxidation des Zuckers Sauerstoff (und weisen eine höhere Energieausbeute auf), während für anaerobe Bakterien der Sauerstoff sogar toxisch sein kann. Anaerobier spalten den Zucker nur enzymatisch und weisen dabei eine sehr geringe Energieausbeute auf. Bei dieser Gärung entstehen je nach Art der Spaltung Gärungsendprodukte wie bspw. Ethanol. Bakterien, die den Menschen besiedeln können sowohl vom anaeroben Stoffwechseltyp (Vorkommen z.B. in der Darmflora oder am Grunde der Zahntaschen, als Infektionserreger auch in entzündlichen Prozessen) wie auch vom aeroben Typ sein, einige Bakterien weisen in Bezug auf ihre Präferenz gegenüber atmosphärischen Gasen besondere Anpassungen auf. So bevorzugen Neisserien (u.a. Neisseria meningitidis; Meningokokken) oder Brucellen (Erreger des undulierenden Fiebers) einen höhern Kohlendioxydanteil.

Aerobe Bakterien verfügen über spezielle Enzyme, um im Stoffwechsel auftretende Sauerstoffmetaboliten abzufangen und unschädlich zu machen. Diese Enzyme sind die Katalase sowie die Oxidase. Anaerobiern fehlen diese Enzyme, so dass schädigende Sauerstoffmetaboliten nicht abgefangen werden können.

Abb. 15: Überblick über den katabolen Stoffwechsel der Bakterien. Zucker als Energieträger und Kohlenstoffquelle kann entweder oxydiert werden (höhere Energieausbeute: pro Mol Glucose etwa 38 Mol ATP) oder anaerob gespalten werden (geringe Energieausbeute, 2-4 Mol ATP pro Mol Glucose). Der aerobe Stoffwechsel setzt nicht notwendigerweise molekularen Sauerstoff voraus. Wesentlich ist nur, dass Elektronen im Rahmen der Atmungskette auf einen geeigneten Akzeptor übertragen werden. Auf diese Weise können Bakterien auch in einer Sauerstofffreien Atmosphäre Zucker oxydieren (anaerobe Atmung).

 

Bei der Wahl des Zuckers, den Bakterien in ihren Stoffwechsel einschleusen können, ergeben sich vielfältige Möglichkeiten und Anpassungen. Neben Bakterien, die überhaupt keine Zucker als Kohlenstoffquelle nutzen gibt es solche, die nur einige wenige Zucker verwerten können. Einige Bakterien können ihre enzymatische Ausstattung zur Oxydation bestimmter Zucker in Abhängigkeit vom Angebot an bestimmten Zuckern modulieren. Hierbei greifen elegante genetische Mechanismen. So kann E. coli z.B. mit Hilfe des sogenannten lac-Operons den Stoffwechsel auf Laktose umstellen, wenn im umgebenden Milieu dieser Zucker in einer bestimmten Konzentration verfügbar wird. Sinkt die Konzentration an verfügbarer Laktose, können die Bakterien durch erneute genetische Umschaltung wieder auf einen Stoffwechselweg für einen anderen Zucker umschalten.

Die Überprüfung im Rahmen der Arbeiten des Routinelabors, ob bestimmte Stoffwechselleistungen bei einem isolierten Erreger vorhanden sind oder nicht, stellt die Grundlage der Differenzierung isolierter Krankheitserreger dar. So unterscheiden sich die unterschiedlichen Erreger im Regelfall in dem komplexen Muster ihrer Stoffwechselleistungen, zu denen sie befähigt sind. Wesentliche Unterschiede ergeben sich z.B. in der Frage, welche Zucker verwertet werden können bzw. ob bestimmte Enzyme der Atmungskette nachweisbar sind oder nicht (Katalase, Oxidase). So ist z.B. der Erreger der eitrigen Gehirnhautentzündung, N. meningitidis, in der Lage in Kultur Maltose umzusetzen. Der nahe verwandte und äußerlich kaum unterscheidbare Erreger des Trippers, Neisseria gonorrhoeae kann nur Glucose umsetzten, so dass diese beiden Erreger durch die Zuckerverwertung gut voneinander unterschieden werden können. Bei anderen Bakterien kann mitunter die Abprüfung mehrerer stoffwechselphysiologischer Leistungen notwendig werden. Hierfür gibt es vorgefertigte Miniaturtestsysteme für den manuellen Einsatz (z.B. API Streifen[1]) als auch für den automatischen Einsatz (z.B. das Phoenix-System, welches nach beimpfen eines „panels“, in dem stoffwechselphysiologische Leistungen geprüft werden, eine automatische Speziesbestimmung vornimmt). Gemeinsam mit den anderen Merkmalen wie Form der Bakterienzelle und Anfärbbarkeit nach Gram oder mittels spezieller Färbungen reflektieren die Unterschiede im Stoffwechselverhalten auch die systematische Zugehörigkeit der Bakterien.

 

4.5.             Zellteilung der Bakterien...

... und daraus resultierende Wachstumskurve

Die kurze Generationszeit der meisten medizinisch wichtigen Bakterien bringt den Vorteil der schnellen Anzüchtbarkeit im Labor und für die Bakterien den Vorteil, sich schnell an wechselnde Umweltbedingungen anpassen zu können. Die Generationszeiten der für die humanmedizinisch wichtigen Bakterien liegen in Kultur bei ca. 20 min (Escherichia coli; sichtbares Wachstum auf festen Nährböden über Nacht) bis hin zu ca. 20 hrs (Mycobacterium tuberculosis; sichtbares Wachstum auf festen Nährböden nach 4 bis 8 Wochen). Schnelles Wachstum ist die Grundlage für die Einteilung von Bakterien an Hand spezifischer kultureller Merkmale und nur so kann eine schnelle Erregerdiagnostik erfolgen.

 

Abb. 16: Wachstumskurve der Bakterien. Ausgehend von der Annahme einer frisch angesetzten Kultur zeigt die Kurve die Entwicklung der gesamten Population in dieser Kultur.

 

Die Vorgänge in einer Kultur lassen sich durch die Wachstumskurve für bakterielle Populationen beschreiben (Abb. 16). Man unterscheidet die sogenannte (i) lag-Phase, während derer die Anpassung der Bakterien an das Milieu stattfindet, gefolgt von der (ii) exponentiellen Wachstumsphase —gekennzeichnet durch schnelle Vermehrung unter optimalen Wachstumsbedingungen (in dieser Phase wird die Generationszeit der Bakterien bestimmt), die (iii) stationäre Phase, in der keine makroskopische Zunahme der Population zu beobachten ist, absterbende und durch Teilung neu hinzu kommende Bakterien halten sich die Waage [makroskopischer Stillstand, es setzen dichteabhängige Regulationsmechanismen ein] und schlussendlich die (iv) Absterbephase in der die Population auf Grund Überschreitens der Nährstoffkapazität des Milieus und durch Anhäufung hemmender oder toxischer Substanzen zu Grunde geht.

Die Kenntnis dieser Wachstumskurve hat durchaus praktischen Wert, sowohl für die Routinediagnostik als auch für die experimentelle Forschung, da man davon ausgehen muss, dass sich Bakterien nur innerhalb der exponentiellen Wachstumsphase „typisch“ in Bezug auf ihre charakterisierenden Eigenschaften verhalten.

Wachstumskurve für Populationen im Allgemeinen (global und bezogen auf einzelne definierte Lebensräume):

Jeder Lebensraum kann eine bestimmte Populationsgröße am Leben erhalten. Wird die Populationsgröße kritisch, so greifen Regulationsmechanismen. Dies führt in einer bakteriellen Kultur z.B. über die Anhäufung toxischer Produkte zum Eintritt in die Absterbephase. In der menschlichen Population bestimmter Regionen können Naturkatastrophen zum Regulationsmechanismus für überbevölkerte Landstriche werden. In anderen Bereichen kennzeichnen Unterernährung auf Grund mangelnder Ressourcen eine dem Lebensraum unangepasste Populationsgröße. Erste theoretische Abhandlungen über die Beziehung zwischen Bevölkerungswachstum und Vorhandensein von Ressourcen wurden bereits von Thomas R. Malthus in seinem „Bevölkerungsgesetz“ 1798 verfasst. Die moderne Populationsbiologie spricht von dichteabhängigen Wachstum sowie dichteabhängigen Faktoren.

 



[1] hier genannte Produkte sind in der Regel nur exemplarisch aus einer Anzahl verschiedener verfügbarer Produkte gewählt, da der Verfasser selbst mit diesen Produkten gearbeitet hat. Aus der Nennung des Produkts ergibt sich keine Wertung über den Nutzen des Produkts.